Berlin, 8. Juli 2025 – Ob Produktempfehlungen in der Story, Rabattcodes per Direktnachricht oder Kaufbuttons im Live-Stream: Social Commerce, also der Verkauf über die sozialen Medien, treibt den deutschen Handel. Inzwischen nutzen bereits 59 Prozent der Händler ein eigenes Profil in den sozialen Netzwerken, um ihr Angebot im Netz zu bewerben. Ein knappes Drittel schaltet darüber hinaus sogar bezahlte Werbung auf entsprechenden Plattformen (31 Prozent). Mehr als ein Viertel der Handelsunternehmen bietet den Kundinnen und Kunden an, Bestellungen über Social-Media-Plattformen zu tätigen (27 Prozent), und rund jedes achte arbeitet mit Influencern zusammen (13 Prozent). Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die 505 Handelsunternehmen ab 10 Beschäftigten in Deutschland befragt wurden. Demnach erwartet über die Hälfte des deutschen Handels, dass Social-Media-Plattformen bereits 2030 unverzichtbare Marketing-Kanäle für den B2B-Bereich sein werden (56 Prozent), 4 von 10 gehen sogar davon aus, dass soziale Medien bis dahin die bedeutendsten Werbeplattformen für den Handel insgesamt sein werden (42 Prozent). „Handel findet zunehmend in sozialen Netzwerken statt – auch in Deutschland. Soziale Medien verändern den Kaufprozess grundlegend, zwischen der Anzeige eines Produkts und dem Klick auf ‚Kaufen‘ liegen nun häufig nur noch Sekunden“, sagt Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bitkom.
Mit Blick auf die spezifischen Plattformen führen Facebook, Instagram und berufliche Netzwerke die Rangliste an: Rund zwei Drittel der Händler verfügen über ein Profil bei Facebook (65 Prozent), und bei Instagram sind es etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent). Auf LinkedIn (42 Prozent) und Xing (40 Prozent) sind jeweils 4 von 10 präsent. 38 Prozent der Händler besitzen ein Profil bei X, ehemals Twitter, und auf TikTok sind 3 von 10 vertreten (30 Prozent). Die Video-Plattform YouTube kommt auf knapp 2 von 10 Händlern, die dort einen Kanal haben (19 Prozent). Die Kommunikation mit der Kundschaft funktioniert auf diesen Plattformen nicht als Einbahnstraße: Über ein Drittel der Händler gibt an, dass Trends aus sozialen Medien einen direkten Einfluss auf ihr Produktangebot haben (37 Prozent).
Untrennbar mit den sozialen Medien verbunden sind auch Influencer oder Content Creators: Sie haben einen besonderen Zugang zu bestimmten Zielgruppen und können damit für Handelsunternehmen als Marketing-Kanäle fungieren. Diese Art der Werbung bringt Chancen wie Risiken mit sich. Einerseits können Influencer das Vertrauen in beworbene Produkte steigern, finden 44 Prozent der Handelsunternehmen. Andererseits können sie dem Unternehmensimage auch schaden, sagen ebenso viele (46 Prozent). „Eine Influencer-Kooperation kann sich im Handel sehr lohnen. Der Influencer oder die Influencerin muss nicht nur große Reichweite und Glaubwürdigkeit in der Zielgruppe haben, er muss auch ganz grundsätzlich zum Unternehmen und seinen Werten passen, ansonsten wird die Werbung als unauthentisch wahrgenommen und kann mehr schaden als nutzen“, so Rohleder.
Tatsächlich macht der deutsche Handel von Influencer-Kooperationen noch kaum Gebrauch: 13 Prozent der Händler arbeiten bereits mit Influencern zusammen, weitere 9 Prozent haben zumindest darüber nachgedacht. Ein Viertel entscheidet sich allerdings bewusst dagegen und plant eine solche Zusammenarbeit aktuell nicht (25 Prozent), während rund die Hälfte der Händler sich noch gar nicht mit dem Thema auseinandergesetzt hat (49 Prozent).
Der Großteil der Online-Verkäufe findet ohnehin noch nicht über soziale Medien statt: Die meistgenutzten Verkaufskanäle sind nach wie vor unternehmenseigene Shops auf der Webseite, über die fast alle Handelsunternehmen verfügen (97 Prozent), sowie E-Mail-Bestellungen (89 Prozent) und Bestellungen über Online-Marktplätze (78 Prozent). Knapp die Hälfte der Handelsunternehmen ist sich allerdings einig: Über die sozialen Netzwerke können sie Kundinnen und Kunden ansprechen, die über klassische Vertriebskanäle unerreichbar sind (48 Prozent). Entsprechend sind auch die Zukunftsaussichten: Ein Drittel der Handelsunternehmen ist der Überzeugung, dass Kundinnen und Kunden im Jahr 2030 vorwiegend in den sozialen Medien nach Produkten shoppen werden (33 Prozent).
In Sachen Werbung dominieren derzeit ebenso noch traditionellere Formen: Fast alle Unternehmen nutzen zur Bewerbung von Produkten und Dienstleistungen Einträge in Online-Verzeichnissen wie GelbeSeiten.de oder DasOertliche.de sowie die eigene Webseite (je 98 Prozent), 7 von 10 Handelsunternehmen machen zu diesem Zweck Gebrauch von Online-Verkaufsplattformen (71 Prozent), E-Mail-Marketing-Kampagnen kommen bei 4 von 10 Unternehmen zum Einsatz (42 Prozent).
Nicht nur in Sachen Social Media geht der deutsche Handel verhalten vor – auch insgesamt verläuft die Digitalisierung im Handel eher schleppend: Nur 2 Prozent der Handelsunternehmen sehen sich in Bezug auf die Digitalisierung an der Spitze, etwas über ein Viertel sieht sich selbst als Vorreiter (28 Prozent). Demgegenüber stehen zwei Drittel der Unternehmen, die sich als Nachzügler bei der Digitalisierung wahrnehmen (66 Prozent) – weitere 2 Prozent geben sogar an, den Anschluss ganz verpasst zu haben. 6 von 10 Handelsunternehmen sehen die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse als Herausforderung (62 Prozent). Trotzdem ist sich der Handel über die Relevanz der Digitalisierung im Klaren: Fast 9 von 10 Händlern halten sie für eine Chance (87 Prozent), nur 11 Prozent sehen in ihr ein Risiko.
Bei den Risiken oder Nachteilen der Digitalisierung dominieren aus Sicht der Händler drei Aspekte: 9 von 10 Unternehmen machen sich Sorgen um einen steigenden Wettbewerbsdruck (90 Prozent), ebenso viele bemängeln einen hohen Aufwand für Datenschutz und -sicherheit (89 Prozent), und für zwei Drittel ist der Verlust des persönlichen Kundenkontakts ein Thema (68 Prozent). Dem stehen aber eine ganze Reihe von Digitalisierungs-Vorteilen gegenüber: Fast alle Unternehmen können so den Bestellvorgang vereinfachen (95 Prozent), für 9 von 10 ermöglicht sie eine vereinfachte Kommunikation mit Geschäftspartnerinnen und -partnern (92 Prozent). Auch die Tatsache, dass der Handel durch die Digitalisierung nicht mehr durch Öffnungszeiten eingeschränkt wird, sehen 8 von 10 Unternehmen als Vorteil (83 Prozent). Drei Viertel können dank ihr außerdem Kundinnen und Kunden individueller ansprechen (75 Prozent).
Diese Vorteile haben vor allem mit Blick auf die Fülle an Herausforderungen, mit denen sich der Handel derzeit konfrontiert sieht, Bedeutung. Neben konjunkturellen Unsicherheiten, die 9 von 10 Unternehmen Sorgen bereiten (90 Prozent), kämpft knapp die Hälfte des deutschen Handels mit einer schwachen Nachfrage im Inland (48 Prozent) und dem Ausland (46 Prozent). Auch hohe Exportzölle erschweren die Lage – sie werden von 43 Prozent der Handelsunternehmen als Herausforderung gesehen. 42 Prozent der Händler spüren einen steigenden Druck durch außereuropäische Wettbewerber – um den Wettbewerbsdruck durch europäische Wettbewerber macht sich dagegen nur ein Viertel Sorgen (25 Prozent).
Zusätzlicher Wettbewerb kommt durch die wachsende Anzahl an Online-Shops zustande: Zwei Drittel der Handelsunternehmen sagen, durch sie gäbe es mehr Wettbewerber (65 Prozent). Im Mittelpunkt stehen dabei die Billig-Marktplätze – sie erhöhen in den Augen von zwei Dritteln der Unternehmen den Wettbewerbsdruck (67 Prozent). Insbesondere chinesische Billig-Marktplätze geben Anlass zur Sorge – 84 Prozent der Handelsunternehmen sind der Ansicht, dass sie unlauteren Wettbewerb betreiben. „Seit einigen Jahren dringen vor allem chinesische Billig-Marktplätze aggressiv auf den europäischen Markt“, sagt Rohleder.
Neben der wirtschaftlichen Lage fordern allerdings auch andere Faktoren den deutschen Handel heraus: 8 von 10 Händlern haben Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitenden (81 Prozent), 7 von 10 bei der Gewinnung von Personal mit digitalen Fachkenntnissen (70 Prozent). Und auch die politische Situation lässt den deutschen Handel nicht kalt: Über die Hälfte sieht eine Unsicherheit durch die neue Bundesregierung als Herausforderung (56 Prozent).
Insbesondere die Künstliche Intelligenz eröffnet dem Handel zahlreiche neue Chancen, die Händler aber zögern beim Einsatz. Am häufigsten wird KI noch in Kundenservice und -kommunikation eingesetzt, und zwar von einem Viertel der deutschen Handelsunternehmen (25 Prozent). Etwa ein Fünftel nutzt entsprechende Anwendungen zur Textgenerierung (22 Prozent), in jeweils rund jedem sechsten Unternehmen wird für personalisierte Empfehlungen (18 Prozent), das Bestandsmanagement (18 Prozent) und die Bildgenerierung (17 Prozent) von KI Gebrauch gemacht. Zur Preisoptimierung (13 Prozent), in der Betrugserkennung und Sicherheit (11 Prozent), bei Webseiten und Apps (7 Prozent) oder im Personalmanagement (6 Prozent) kommt die Technologie derzeit kaum zum Einsatz.
Und so bereitet KI den Händlern primär Sorgen: 8 von 10 Unternehmen bekümmert, dass ihnen KI-generierte Fake-Bewertungen schaden könnten (81 Prozent), 6 von 10 fürchten, dass durch den Einsatz von KI der direkte Kontakt zu Kundinnen und Kunden verloren geht (61 Prozent). Gleichzeitig stellt die Künstliche Intelligenz die Handelsunternehmen vor personelle Herausforderungen: Zwei Dritteln fehlen schlichtweg Mitarbeitende mit entsprechenden Kompetenzen (66 Prozent). Der Bedeutung der Technologie sind sich dennoch die meisten Unternehmen bewusst: Die Hälfte glaubt, dass schon 2030 ein KI-Shopping-Assistent die Suche nach dem besten Produkt für die Kundinnen und Kunden übernimmt (50 Prozent). 6 von 10 sind sich außerdem einig, dass Händler, die KI einsetzen, einen Wettbewerbsvorteil haben (61 Prozent) – und nur 17 Prozent glauben, dass KI-Technologien im Handel ein vorübergehender Trend sind. Rohleder: „Die Schere zwischen dem Potenzial und dem Praxiseinsatz von KI ist im Handel weit geöffnet”.
Was die Bitkom-Untersuchung auch zeigt: Der stationäre Handel bleibt und wird durch den Online-Handel nicht ersetzt, sondern ergänzt. Lediglich 6 Prozent der Händler verkaufen nur vor Ort und ebenfalls geringe 6 Prozent sind ausschließlich online aktiv. Rohleder: „Was wir in vielen anderen Bereichen beobachten, gilt auch für den Handel: Der Handel wird hybrid“. 86 Prozent der Händler bieten ihre Produkte und Dienstleistungen sowohl im Netz als auch vor Ort an. Und das soll nach Meinung der befragten Händler auch so bleiben: Nur jedes zehnte Handelsunternehmen sieht grundsätzlich keine Perspektive für den stationären Handel (11 Prozent). Ein Drittel des deutschen Handels kann sich dennoch vorstellen, im Jahr 2030 nur noch online zu verkaufen (32 Prozent). Eine große Rolle spielen dabei die Preise: Knapp drei Viertel sind der Ansicht, der stationäre Handel könne mit den günstigen Preisen im Internet nicht mithalten (72 Prozent).
Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 505 Handelsunternehmen ab 10 Beschäftigten in Deutschland telefonisch befragt. Die Befragung fand im Zeitraum von KW 11 bis KW 19 2025 statt. Die Umfrage ist repräsentativ.