Technische Normung und Standardisierung sind zentrale Elemente der Wirtschafts- und Industriepolitik. Sie bilden die Grundlage für einen fairen Wettbewerb in globalen Märkten und schaffen Vertrauen in und Akzeptanz von neuen Technologien. Der Erfolg der Digitalisierung und des Green Deals hängt bei der Anwendung von Technologien wie der Künstlichen Intelligenz, Cybersicherheit, Datennutzung auch entscheidend von Normen und Standards ab. Gleiches gilt für das Thema Industrie 4.0, die hier möglichen Potenziale können nur mit den richtigen Normen und Standards gehoben werden. Auch auf das Erreichen von digitaler Souveränität im Sinne der selbstbestimmten Anwendung, Auswahl und Bereitstellung von Technologien wird so entscheidend unterstützt. Insgesamt müssen Normung und Standardisierung vor allem global und europäisch betrachtet werden. Nationale wirtschafts- und wertepolitische Einflussnahme, auch anderer Länder, auf die internationale Standardisierung muss im Blick behalten werden, damit die Interessen Deutschlands und Europas global ausreichend Berücksichtigung finden und das Vertrauen in neue Technologien gestärkt wird.
Die Bundesregierung sollte die Normung als wirtschaftspolitisches und regulatorisches Instrument bewusst nutzen und gemeinsam mit der Wirtschaft Strategien für die erfolgreiche Bereitstellung und Anwendung von wichtigen Technologien in einem globalen Marktumfeld erarbeiten und umsetzen.
Die Verantwortung für Normung und Standardisierung – insbesondere auch der internationalen Vertretung der deutschen Interessen – muss noch stärker politisch verankert werden. Ein Koordinator oder eine Koordinatorin der Bundesregierung im BMWi kann für eine Ministerien-übergreifende Strategie und deren Umsetzung unter Einbindung der Wirtschaft sorgen.
Für jede neue technische Regulierung sollte der bewährte europäische Neue Rechtsrahmen erwogen werden, der Normung als Instrument für das Erreichen der gesetzlichen Anforderungen vorsieht. Dabei sollten internationale und europäische Standards generell vor rein nationalen Standards angestrebt werden.
Deutschland sollte die europäische Normungspolitik aktiv beeinflussen, auch im Hinblick auf die Durchsetzung der Verordnung zur europäischen Normung (EU) Nr. 1025/2012 und die Finanzierung des europäischen Normungssystems.
Deutsche Expertinnen und Experten müssen dabei unterstützt werden, nationale und europäische Interessen in der internationalen Normung zu vertreten, z. B. indem normungsbedingte Kosten in Unternehmen als förderfähige Forschungs- und Entwicklungskosten qualifiziert werden. Deutsche Leitungspositionen und Beteiligung in der internationalen Normung sollte z.B. durch finanzielle Förderung in den als strategisch wichtig identifizierten Bereichen unterstützt werden. Die Behörden sollten aktiv an der Normung teilnehmen und ihre Expertise ebenso wie ihre Anforderungen dort einbringen.
Die aus deutscher und EU-Perspektive wichtigen strategischen Schlüsseltechnologien sollten definiert und deren Normungsbedarfe frühzeitig ermittelt sowie ggf. intensiv unterstützt werden. Bisherige Ansätze, wie z.B. die Normungsroadmap Künstliche Intelligenz, stellen einen geeigneten Rahmen für den Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik dar. Dies sollte ohne komplexe Verfahren bis zur Umsetzung auf europäischer und internationaler Ebene mit Budget gefördert werden. In Strategien zur Förderung von Schlüsseltechnologien (u.a. Künstlicher Intelligenz, Quantencomputing, intelligente Netze, 6G, automomes Fahren und Halbleiter) sollte es ein Kapitel zur Standardisierung geben.
Standardisierung sollte in Technologieprogramme integriert und die Mitarbeit von Wissenschaft und Mittelstand in der Standardisierung gefördert werden. Normen und Standards sollten als Arbeitsergebnisse gleichwertig behandelt werden wie wissenschaftliche Publikationen oder Patente. Auf Länderebene sollte Standardisierung in der Ausbildung sowie in wirtschafts- und techniknahen Studiengängen verstärkt eingeführt werden.