

Deutschland gestaltet die Digitalisierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat nicht im luftleeren Raum, sondern im internationalen Wettbewerb. Kürzere Innovationszyklen und innovative Technologien verändern den Wettbewerb grundlegend.
Gleichzeitig spielen staatliche Interventionen ins Wirtschaftsgeschehen vermehrt eine Rolle. Der liberale Multilateralismus gerät zunehmend unter Druck: Regierungen betreiben aktive staatliche Industriepolitik aus machtpolitischen Erwägungen und verzerren den fairen Wettbewerb. So wirkt sich die Geopolitik zunehmend auf den digitalen Raum aus.
Die Digitalisierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat findet so in einem internationalen Machtgefüge statt, das gegenwärtig – politisch wie wirtschaftlich – schnell und nachhaltig neu austariert wird. Die Reaktion auf diese Entwicklungen muss die Absicherung und Stärkung unserer europäischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sein. Das kann nur durch eine moderne Wirtschafts- und Industriepolitik erreicht werden, die heute in ihrem Kern Digitalpolitik ist.
Das heißt: Wer sich auf den Schutz herkömmlicher Strukturen beschränkt, wird scheitern. Ziel muss vielmehr sein, die Wettbewerbsfähigkeit in relevanten Digital- und Zukunftsbereichen auf globaler Ebene sicherzustellen, um nicht in eine Situation zu geraten, in der Deutschland und Europa nur noch nach den Regeln anderer globaler Akteure spielen. Gestalten, nicht verwalten, sollte unser Anspruch sein.
Digitale Produkte und Dienstleistungen sind ein immer wichtigerer Bestandteil des Welthandels. Der EU-Binnenmarkt ist dabei – mit über einer halben Milliarde Menschen und starken großen wie kleinen Unternehmen – der zentrale Hebel, um als relevanter Player die Regeln des internationalen Wirtschaftsgefüges weiterhin mitzugestalten. Gemessen am BIP ist die EU der zweitgrößte Binnenmarkt weltweit – diese wirtschaftliche Stärke muss im internationalen Wettbewerb viel stärker zur Geltung kommen. Der EU-Binnenmarkt sollte daher gezielt gestärkt werden. Das bedeutet vor allem: Der Digitale Binnenmarkt muss ausgebaut werden. Im Innern müssen Regeln weiter harmonisiert und Schranken abgebaut werden. Nach außen braucht es auf Gegenseitigkeit beruhende Marktzugangs- und Investitionsbedingungen für Drittländer. Bi- und multilaterale Vereinbarungen müssen mit technologischen Entwicklungen Schritt halten und digitale Produkte und Dienstleistungen fest abdecken. Neue Abkommen können Lücken im derzeitigen WTO-Recht im Umgang mit digitalen Produkten und Dienstleistungen schließen. Unilaterale Regulierungen, wie z.B. im Bereich der Exportkontrollen, können den Anforderungen der internationalen Verflechtungen der Wirtschaftsbeteiligten in Europa nur bedingt gerecht werden und im Zweifelsfall diese gegenüber ihren internationalen Wettbewerbern benachteiligen. Es gilt daher die Ziele der Handelsordnung in Deutschland und Europa eng mit internationalen Partnern abzustimmen sowie im Kontext internationaler Regime mit konkreten Maßnahmen auszugestalten. Im globalen Wettbewerb der Digitalmärkte hat Europa nach wie vor alle Chancen – wenn es mit einer Stimme spricht und politisch selbstbewusst auftritt, um die gebündelten Interessen seiner Mitgliedsstaaten kraftvoll zu vertreten.
Digitale Souveränität ist die Möglichkeit zur unabhängigen digitalen Selbstbestimmung. Im internationalen Zusammenhang bedeutet das vor allem, eigene Gestaltungs- und Innovationsspielräume zu erhalten und einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. Das heißt: Deutschland und Europa müssen Kernkompetenzen im Bereich zentraler Technologien, Infrastrukturen und Dienstleistungen vorhalten, um in der Lage zu sein eigenständig innovative Technologien und wettbewerbsfähige Lösungen hervorzubringen sowie selbstbestimmt Lösungen von vertrauenswürdigen internationalen Partnern erwerben zu können. Um dies sicherzustellen, braucht es zum einen eine Initiative der Bundesregierung zur fortlaufenden Bewertung der digitalen Souveränität Deutschlands und Europas unter Einbindung der relevanten Stakeholder sowie die Ableitung konkreter Maßnahmen aus dieser Bewertung. Nur so können Lücken identifiziert und gezielt geschlossen werden. Um digital souverän zu sein, darf Europa nicht auf Durchschnitt setzen, sondern muss Spitzenplätze anstreben. Gleichzeitig umfasst Digitale Souveränität auch die Notwendigkeit eine fundierte Datenstrategie auf nationaler und auf EU-Ebene zu erarbeiten. Sie muss einen fairen Ausgleich zwischen den beteiligten Parteien schaffen. Die Wirtschafts- und Industriepolitik muss diesem Thema noch stärkere Aufmerksamkeit widmen. Die Fähigkeiten zum selbstbestimmten wie verantwortungsvollen Umgang mit Daten werden die Basis unserer Wirtschaft im Jahr 2025 sein.
Weder Digitale Souveränität, noch einen starken EU-Binnenmarkt gibt es ohne erfolgreiche Unternehmen. Erfolgreiche Unternehmen sind aus sich heraus stark. Sie können sich agil verändern und müssen auch nicht vom Staat geschützt werden. Für erfolgreiche Unternehmen braucht es einen starken Heimatmarkt. Die beste politische Absicherung in unsicheren Zeiten ist es daher, den eigenen Wirtschaftsstandort und seine Unternehmen zu stärken – ob Startup, KMU oder Global Player. In der Digitalwirtschaft kann man nur eingeschränkt von heutiger Größe auf die künftige Wettbewerbsfähigkeit schließen. Daher sollten Deutschland und Europa gezielt neue Technologien und Geschäftsmodelle – mit einem Fokus auf Sprunginnovationen – fördern. Gleichzeitig müssen die bestehenden Stärken der deutschen Industrie weiter gestärkt werden. Sie sind ein enormer Wettbewerbsvorteil und bieten eine weltweit einzigartige Grundlage für die digitale Transformation der industriellen Produktion. Es gilt daher, Deutschlands weltweite Vorreiterrolle bei digitalen Industrieplattformen für das B2B-Segment auszubauen und Anwendungen aus dem Bereich Industrie 4.0 gezielt zu fördern.
Unsere Welt ist heute von Disruption geprägt: Geopolitik trifft Geoökonomie im digitalen Zeitalter, Weltmächte konkurrieren um Technologieführerschaft. Ohne aktives Handeln werden Deutschland und Europa an politischer und ökonomischer Relevanz einbüßen. Unsere Bitkom-Digitalstrategie bietet eine Reihe von Denkanstößen und konkrete Handlungsempfehlungen, um diese Herausforderung anzugehen. Deutschland und Europa müssen attraktive, leistungs- und widerstandsfähige Märkte sein, deren Unternehmen technologische Trends setzen und Normen und Standards aktiv mitgestalten.
Gesellschaft, Wirtschaft und Staat stehen aber nicht nur vor Herausforderungen. Wir stehen vor allem vor großen Chancen, die die Digitalisierung bietet. Mithilfe von Investitionen u.a. in Bildung, Forschung, Infrastruktur und Zukunftstechnologien und eine intelligente Digitalpolitik können wir das Wohlstandspotenzial der Digitalisierung heben: im Schulterschluss von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat – zum Wohle aller.