Berlin, 7. August 2025 – In der deutschen Wirtschaft fehlen aktuell rund 109.000 IT-Fachkräfte. Das sind zwar deutlich weniger als noch vor zwei Jahren mit 149.000, allerdings sehen die Unternehmen keine wirkliche Abmilderung des Fachkräftemangels. So beklagen derzeit 85 Prozent einen Mangel an IT-Fachkräften auf dem deutschen Arbeitsmarkt, nur 4 Prozent sprechen von einem Überangebot und 10 Prozent sagen, dass es ausreichend IT-Fachkräfte gibt. 79 Prozent erwarten, dass sich der IT-Fachkräftemangel in Zukunft sogar weiter verschärfen wird, nur 4 Prozent erwarten, dass er abnimmt und 16 Prozent rechnen mit keiner Veränderung. Das sind Ergebnisse der neuen Bitkom-Studie zum Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte, für die 855 Unternehmen aller Branchen repräsentativ befragt wurden. „Die konjunkturelle Eintrübung und geopolitische Unsicherheiten haben dazu geführt, dass Unternehmen bei Neueinstellungen zurückhaltend sind oder sogar IT-Stellen abgebaut haben. Zugleich schreitet die Digitalisierung der Unternehmen, aber auch in Verwaltungen und Behörden, voran, so dass dort eher mehr als weniger IT-Expertinnen und -Experten benötigt werden“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Mit Blick auf die demografische Entwicklung in Deutschland, durch die sehr viel weniger junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen als ältere aus dem Berufsleben ausscheiden, müssen wir mehr Anstrengungen unternehmen, die IT-Fachkräftelücke zu schließen. Der Fachkräftemangel darf nicht zur Digitalisierungsbremse werden.“
Allerdings mussten 6 Prozent der Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten wegen der wirtschaftlichen Lage IT-Fachkräfte entlassen und 14 Prozent rechnen damit, dass dies in den kommenden zwölf Monaten in ihrem Unternehmen der Fall sein wird. Sogar 35 Prozent erwarten, dass es in der deutschen Wirtschaft aufgrund der schwächelnden Konjunktur zu einem Stellenabbau in der IT kommen wird. Allerdings sagen auch 6 Prozent, dass sie bereits IT-Fachkräfte eingestellt haben, die aufgrund der wirtschaftlichen Situation anderswo ihren Job verloren haben. Und 52 Prozent rechnen damit, künftig bessere Chancen bei der Suche nach IT-Fachkräften zu haben, weil anderswo Stellen gestrichen werden.
Jedes zwölfte Unternehmen (8 Prozent) setzt vermehrt Künstliche Intelligenz ein, um dem IT-Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Dabei lässt sich noch nicht sagen, welche Auswirkungen KI unter dem Strich auf den IT-Arbeitsmarkt haben wird. So rechnet rund jedes vierte Unternehmen (27 Prozent) damit, dass es durch KI Stellen abbauen wird, und 16 Prozent erwarten, dass aufgrund von KI Stellen verzichtbar werden, die ohnehin nicht besetzt werden können. Aber 42 Prozent gehen davon aus, dass KI für einen zusätzlichen Bedarf an IT-Fachkräften im Unternehmen sorgen wird. „KI kann heute in der IT bereits eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen, von Supportanfragen bis hin zur Code-Erstellung. Allerdings wird auch der Bedarf an KI-Spezialistinnen und -Spezialisten steigen, wenn mehr Unternehmen Künstliche Intelligenz einsetzen und in ihre Systeme integrieren wollen“, so Wintergerst.
42 Prozent der Unternehmen erwarten, dass durch KI neue Berufsbilder in der IT entstehen, 34 Prozent gehen davon aus, dass KI einzelne IT-Berufe und -Berufsbilder ersetzen wird. 35 Prozent gehen davon aus, dass durch KI die Produktivität steigt, 20 Prozent, dass sich die Qualität der Arbeitsergebnisse verbessert. Und ein Viertel der Unternehmen (24 Prozent) erwartet, dass IT-Fachkräfte ohne KI-Wissen künftig nicht mehr nachgefragt werden.
Neben KI setzen die Unternehmen beim Kampf gegen den IT-Fachkräftemangel vor allem auf Weiterbildungsprogramme, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für neue Aufgaben zu qualifizieren (31 Prozent). 22 Prozent haben spezielle Programme für den Quereinstieg, 19 Prozent verfügen über Programme, um ältere Beschäftigte länger im Job zu halten. 14 Prozent haben Fördermaßnahmen für Frauen eingeführt und 7 Prozent verfügen über Diversitäts- und Inklusionsprogramme. 12 Prozent setzen vermehrt auf externe IT-Fachkräfte – und 3 von 10 Unternehmen (29 Prozent) tun derzeit gar nichts gegen den IT-Fachkräftemangel. „Die Unternehmen müssen ihre eigenen Anstrengungen bei der Rekrutierung von IT-Fachkräften weiter verstärken. Gerade bei Weiterbildung, Quereinstieg und der Gewinnung von Frauen für IT-Berufe gibt es noch großes Potenzial“, so Wintergerst.
Im Schnitt dauert es 7,7 Monate, eine freie IT-Stelle zu besetzen. Das ist genauso lang wie noch vor zwei Jahren. Meistens geht es dabei ums Geld. 63 Prozent sagen, dass sich die Gehaltsvorstellungen der Bewerberinnen und Bewerber nicht mit deren Qualifikation decken, bei 56 Prozent passen die Gehaltswünsche nicht in das Gehaltsgefüge des Unternehmens. Häufig beklagt wird zudem die fehlende Umzugsbereitschaft (44 Prozent). Umgekehrt scheitert es aber auch an der fehlenden Flexibilität der Unternehmen: 43 Prozent räumen ein, den Wünschen der Jobsuchenden nach mobilem Arbeiten nicht nachzukommen und 29 Prozent können die Anforderungen an flexible Arbeitszeitgestaltung nicht erfüllen. „Unternehmen können auch auf einem umkämpften Arbeitsmarkt nicht beliebig hohe Gehälter zahlen. Umso mehr sollten sie ihre Arbeitsorganisation überprüfen, um attraktiv für Bewerberinnen und Bewerber zu sein, die sich ihre Stelle aussuchen können“, so Wintergerst.
Weitere Schwierigkeiten bei der Besetzung von IT-Jobs sind fehlende Soft-Skills der Kandidatinnen und Kandidaten (38 Prozent), mangelnde Deutschkenntnisse (35 Prozent) oder Fremdsprachenkenntnisse (28 Prozent). Während 34 Prozent fachlich unterqualifizierte Bewerberinnen und Bewerber beklagen, sagen umgekehrt 3 Prozent, dass sie teils überqualifiziert seien. Bei 22 Prozent werden sehr spezifische Anforderungen an die Kenntnis neuester Technologien nicht erfüllt. Zugleich räumen 14 Prozent ein, dass sie nicht jene Weiterbildungen anbieten können, die sich die Kandidatinnen und Kandidaten wünschen, 7 Prozent treffen Personalentscheidungen zu langsam und 5 Prozent sind einige Bewerberinnen und Bewerber zu alt. Im Übrigen hat jedes vierte Unternehmen (25 Prozent) eine ganz grundsätzliche Schwierigkeit bei der Besetzung von IT-Stellen: Es erhält praktisch keine Bewerbungen.
IT-Jobs sind nicht nur Akademikern vorbehalten: Lediglich etwas mehr als ein Viertel (27 Prozent) derjenigen, die in den vergangenen zwölf Monaten in einem IT-Beruf eingestellt wurden, hat einen einschlägigen Hochschulabschluss, weitere 37 Prozent haben eine duale IT-Berufsausbildung wie zum Beispiel der Fachinformatik abgeschlossen. 10 Prozent haben ein IT- oder IT-nahes Studium abgebrochen und haben den Berufseinstieg ohne Studienabschluss geschafft. Den größten Umweg in die IT nehmen die vielen Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger. 27 Prozent der IT-Jobs gingen an diese Gruppe. 36 Prozent der Unternehmen, die Quereinsteiger einstellen, geben an, dass diese typischerweise eine Berufsausbildung außerhalb der IT mitbringen, 21 Prozent nennen einen Nicht-IT-Hochschulabschluss. 43 Prozent der Unternehmen geben an, dass Quereinsteiger über berufspraktische IT-Erfahrungen verfügen, 26 Prozent nennen IT-Weiterbildungen wie etwa ein Bootcamp und 25 Prozent autodidaktisch erworbenes IT-Know-How.
IT-Fachkräfte im Ausland rekrutiert haben bislang lediglich 14 Prozent der Unternehmen: 5 Prozent praktizieren dies weiterhin, 9 Prozent haben dies in der Vergangenheit getan, haben diese Praxis aktuell aber eingestellt. Ein Viertel (24 Prozent) will sich künftig im Ausland um IT-Fachkräfte bemühen. Für 60 Prozent war und ist dies allerdings kein Thema. Dabei kann die politische Entwicklung in den USA nach Ansicht der deutschen Unternehmen eine Chance sein, mehr IT-Spezialistinnen und -Spezialisten nach Deutschland zu holen. 45 Prozent meinen, durch die Politik von US-Präsident Donald Trump hätten die USA an Anziehungskraft für ausländische IT-Fachkräfte verloren. 21 Prozent sehen die Chance, IT-Fachkräfte aus den USA nach Deutschland zu holen, 27 Prozent meinen, dass es nun leichter sei, IT-Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern nach Deutschland statt in die USA zu routen.
Mit Blick auf den Arbeitsmarkt allgemein halten die Unternehmen drei Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag für besonders erfolgsversprechend: Drei Viertel (74 Prozent) würde eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit konkret weiterhelfen, 69 Prozent die Förderung der Fachkräfteeinwanderung und 67 Prozent die Aktiv-Rente, mit der ältere Beschäftigte länger im Arbeitsleben gehalten werden sollen. Erst mit deutlichem Abstand folgen weitere Maßnahmen. Jeweils einem Drittel (33 Prozent) würde die Standardisierung von Zertifikaten für Weiterbildungen helfen sowie eine verpflichtende Altersabsicherung für neue Selbstständige. Ein Viertel (24 Prozent) verspricht sich Vorteile von einem Bundestariftreuegesetz. 17 Prozent wünschen sich eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens für Selbstständige und 9 Prozent nennen die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung.
„Die Politik sollte mit Priorität jene Maßnahmen umsetzen, die den Unternehmen konkreten Nutzen bringen“, sagt Wintergerst. Die Umstellung von der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit würde Beschäftigten die flexiblere Gestaltung ihrer Arbeitszeit ermöglichen. Sie fördere auch einen Perspektivwechsel, weg vom Leitbild des Industriearbeitsplatzes aus dem vorigen Jahrhundert und hin zur agilen Arbeitswelt der Zukunft. Bei der Fachkräfteeinwanderung plädiert Bitkom insbesondere für die Schaffung einer „Work-and-stay-Agentur“ mit einer zentralen IT-Plattform als einheitlicher Anlaufstelle für ausländische Fachkräfte und für eine konsequente Digitalisierung und Zentralisierung aller Prozesse. Wichtig sei ebenso die Aktiv-Rente. „Die Aktiv-Rente ist ein echter Paradigmenwechsel in der deutschen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Erstmals diskutieren wir ernsthaft darüber, wie wir gut ausgebildete Fachkräfte länger im Berufsleben halten können – und nicht, wie wir sie möglichst früher aus dem Arbeitsmarkt verabschieden. Für die Unternehmen verbindet sich damit die Verpflichtung, auch ältere Beschäftigte kontinuierlich weiterzubilden und ihnen auch jenseits des Alters von 66 oder 67 Jahren eine berufliche Perspektive zu bieten“, so Wintergerst.
Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverband Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 855 Unternehmen ab 3 Beschäftigten in Deutschland telefonisch befragt. Die Befragung fand im Zeitraum von KW 20 bis KW 27 2025 statt. Die Umfrage ist repräsentativ.