Tech Weekly Folge 122 zur Zwischenbilanz digitaler Staat
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Zwischenbilanz digitaler Staat: Fortschritte, Forderungen, Fahrplan

Der Podcast „Tech Weekly #122" zum Nachlesen

Tobias Grimm:
In den vergangenen Monaten wurde intensiv darüber diskutiert, welche Schritte die Verwaltungsdigitalisierung endlich spürbar voranbringen können. Mit der föderalen Modernisierungsagenda wurden nun zentrale Maßnahmen beschlossen.


Marc Danneberg:
„Beispielsweise möchte man vorankommen beim Thema Once-Only, das heißt, Daten einfach nur einmal angeben gegenüber der Verwaltung. Und im Bereich Digital-Only, also quasi grundsätzlich alle Verwaltungsleistungen digital, und im Bereich der 24-Stunden-Gründungen.“


Tobias Grimm:
Marc Danneberg, Bitkom-Experte für den Public Sector, ordnet das Maßnahmenpaket ein und erklärt, wie weit Deutschland beim Once-Only-Prinzip ist – ein Thema, bei dem auch das neue Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung eine entscheidende Rolle spielt.


Esther Steverding:
„Man sieht, die sind total motiviert, und wir sehen auch in unserem Monitor Digitalpolitik, dass das BMDS schon vier Vorhaben abgeschlossen hat. Konkrete Projekte sind gerade im Kommen – das ist zum Beispiel der Deutschland-Stack.“
 

Tobias Grimm:
Esther Steverding, ebenfalls Bitkom-Expertin für den Public Sector, blickt zurück, was sich in diesem Jahr in Sachen digitaler Staat schon getan hat.
Und damit herzlich willkommen zu Tech Weekly, dem Podcast des Bitkom, mit mir, Tobias Grimm.

 

Politik


Weniger Bürokratie, schnellere Verfahren und effizientere staatliche Strukturen – das sind die Ziele der föderalen Modernisierungsagenda, die von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen wurde. Darüber und über die bisherigen Erfolge und Herausforderungen des neuen Bundesministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung spreche ich heute mit Esther Steverding und Marc Danneberg, den Bitkom-Experten für den Public Sector.


Tobias Grimm:
Marc, wie bewertest du die föderale Modernisierungsagenda? Was steckt da drin und was fehlt vielleicht noch?


Marc Danneberg:
Wir haben gerade erst Zahlen als Bitkom veröffentlicht mit Blick auf die Frage: Was ist den Menschen besonders wichtig bei der Digitalpolitik der Bundesregierung? Und da ist die digitale Verwaltung mit 82 Prozent ganz oben. Das heißt, für die gesamte Legislatur ist die Digitalpolitik mit Blick auf die Modernisierung und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung total zentral. Und da ist die Modernisierungsagenda ein ganz wichtiger Baustein.

Wir haben im Herbst die Modernisierungsagenda bunt kennengelernt. Das heißt, die Bundesregierung hat sich überlegt: Was können wir in unserem Gestaltungsbereich tun, um schneller voranzukommen bei der Verwaltungsdigitalisierung? Da standen oder stehen total wichtige Dinge drin, wie der Aufbau eines Deutschland-Stacks, auch ganz wichtige Maßnahmen im Bereich des Bürokratieabbaus. Aber wenn man wirklich etwas reißen möchte im Bereich Verwaltungsdigitalisierung, dann muss man föderal denken. Das heißt, an ganz vielen Baustellen müssen Bund, Länder und Kommunen zusammenarbeiten, um wirklich einen einheitlichen Ansatz bei der Verwaltungsdigitalisierung verfolgen zu können. Und hier kommt jetzt die Modernisierungsagenda föderal ins Spiel. Da hat man über die letzten Monate sehr intensiv darüber gesprochen und verhandelt, welche Maßnahmen geeignet sind, um Fortschritte zu erzielen im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung.

Und dieser sehr, sehr umfassende Maßnahmenkatalog wurde jetzt letzte Woche veröffentlicht. Und da stehen wirklich total interessante Sachen drin. Beispielsweise möchte man vorankommen beim Thema Once-Only – das heißt, Daten einfach nur einmal angeben gegenüber der Verwaltung, im Bereich Digital-Only, also quasi grundsätzlich alle Verwaltungsleistungen digital, im Bereich der 24-Stunden-Gründung, auch im Bereich von Marktplätzen, also Fragen der Beschaffung. Und da hat sich die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen wirklich sehr, sehr viel vorgenommen für die nächsten Monate und Jahre.


Tobias Grimm:
Wir sagen als Bitkom immer und immer wieder: Es ist entscheidend, dass der digitale Staat sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für Unternehmen spürbar wird. Was hat sich denn in diesem Jahr schon getan? Wir haben ja das neue Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung – Esther, wo siehst du positive Effekte der Digitalisierung?


Esther Steverding:
Wir haben seit etwas mehr als sechs Monaten ein Ministerium für die Themen. Und man sieht, die sind total motiviert. Da passiert ganz viel. Das sehen wir täglich. Wir haben so viele Stellungnahmen dieses Jahr geschrieben, obwohl die Legislaturperiode erst sechs Monate alt ist – also Ideen, die veröffentlicht werden, zu denen um Kommentierung gebeten wird. Und wir sehen auch in unserem Monitor Digitalpolitik, dass das BMDS schon vier Vorhaben abgeschlossen hat – Stand Dezember 2025.

Und konkrete Projekte sind gerade im Kommen – das ist zum Beispiel der Deutschland-Stack, den Marc vorhin auch schon einmal angesprochen hat. Das ist das neue Riesenprojekt bei denen, das auch über mehrere Jahre laufen wird. Dann gibt es die Idee, einen Marktplatz Deutschland zu etablieren, zu gründen. Ganz viel passiert im Bereich des NOOTS, also der Datenübertragung, Registermodernisierung. Und wir werden jetzt bald – vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch, dass die PIN-Rücksetzung per Brief abgeschafft worden ist –, da gibt es jetzt eine Verordnung, dass das wieder möglich sein soll. Also das werden dann Bürgerinnen und Bürger ganz konkret merken, wenn sie ihren E-Ausweis nutzen wollen, dass sie ihren PIN wieder mit einem Brief zurücksetzen lassen können.

Die Modernisierungsagenda ist da. Und es gibt aber natürlich auch noch ganz viele offene Punkte, die aber einfach in sechs Monaten nicht geklärt werden können.


Tobias Grimm:
Lass uns mal auf die offenen Punkte eingehen. Welche sind das genau?


Esther Steverding:
Insgesamt hat das BMDS 59 Vorhaben bei uns im Monitor Digitalpolitik – also einige. Für uns ist ganz zentral, dass Artikel 91c im Grundgesetz angegangen wird. Das regelt die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im IT-Bereich. Bis jetzt darf der Bund zum Beispiel keine Basiskomponenten finanzieren, die die Kommunen dann nachnutzen können. Das ist für uns zentral, dass das schnell angegangen wird, weil das natürlich auch eine große Aufgabe ist. Der Bundesrat muss mitmachen und verschiedene Parteien, die da auch unterschiedliche Ansichten zu haben.

Dann müssen natürlich die beiden Agenden, von denen wir gerade gesprochen haben, umgesetzt werden – Bund und föderal. Föderal sind fast 230 Vorhaben, die in den nächsten Jahren angegangen werden sollen – auf allen drei Ebenen: Bund, Länder, Kommunen. Bürokratieentlastung natürlich – es soll ein jährliches Bürokratieentlastungsgesetz geben. Für 2025 haben wir noch keines. Vielleicht, ich denke mal, 2026 kann man da eines erwarten. Once-Only natürlich. Und das Thema Ende-zu-Ende-Digitalisierung, also dass Antragsprozesse, Verwaltungsleistungen komplett digital, medienfrei abgewickelt werden können.


Tobias Grimm:
Ein Punkt, den ihr jetzt beide angesprochen habt, ist das Once-Only-Prinzip. Da würde ich gerne von dir wissen, Marc, wie ist da aktuell der Stand? Welche Vorteile ergeben sich daraus vielleicht auch?


Marc Danneberg:
Also eigentlich ist das Once-Only-Prinzip eine absolute Selbstverständlichkeit. Wenn ich als Bürger oder auch mit meinem Unternehmen mit dem Staat in Kontakt trete, wenn es darum geht, eine Verwaltungsleistung zu beantragen, dann möchte ich Daten, die der öffentlichen Hand bereits vorliegen, kein zweites Mal angeben. De facto ist es aber so: Da wir in Deutschland eine sehr dezentralisierte, an vielen Stellen auch nicht wirklich kompatible IT-Infrastruktur haben – also öffentliche IT-Infrastruktur, die darüber hinaus an vielen Stellen auch relativ veraltet ist –, ist es de facto nicht möglich, dass alle Behörden in Deutschland über alle föderalen Ebenen hinweg automatisiert Daten miteinander austauschen. Es ist letztendlich eine technische Fragestellung, und das müssen wir angehen. Denn der Anspruch ist eben, dass die Daten zwischen Behörden problemlos ausgetauscht werden können – wenn ich dem zustimme –, und damit Verwaltungsprozesse, schon die Beantragung, einfach wesentlich schneller funktionieren. Und da sind wir aber auf einem ganz guten Weg.

Es gibt das Mammutprojekt der Registermodernisierung, das läuft seit einigen Jahren. Da wird die Modernisierung und Vernetzung der öffentlichen Register in Deutschland vorbereitet. Im letzten Jahr hat man die technische Infrastruktur dafür aufgebaut – das sogenannte Nationale Once-Only-Technical-System, NOOTS. Jetzt geht es darum, dass sich Schritt für Schritt alle Behörden, die Registerdaten führen, in Deutschland an diese technische Infrastruktur andocken. Und das wird über die nächsten Monate passieren.

Und da ist es extrem wichtig, dass wir nicht in eine ähnliche Situation kommen wie an vielen Stellen bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, bei dem diese IT-Projekte häufig auf lokaler Ebene depriorisiert werden – einfach, weil aktuell eben keine Ressourcen dafür zur Verfügung stehen –, sondern das ist wirklich ganz zentral, da muss man die Kommunen dabei unterstützen. Es gibt erste Ansätze in der Modernisierungsagenda föderal, die darauf hinweisen, aber es ist definitiv kein Selbstläufer. Da müssen wir sozusagen auch die öffentliche Aufmerksamkeit hochhalten, um das zu erreichen.

Als Bitkom haben wir auch einen Vorschlag, der das begleiten kann: Die Länder werden sich laut Modernisierungsagenda in den nächsten anderthalb Jahren überlegen, wie sie einen solchen Once-Only-Ansatz auch gesetzlich verankern können. Unser Vorschlag wäre, dass man als Bürger und auch als Unternehmen perspektivisch die Angabe von Daten verweigern kann bei Verwaltungsprozessen, wenn man weiß, die liegen der Verwaltung schon irgendwo in Deutschland vor. Das würde nämlich den Umsetzungsdruck ganz erheblich erhöhen – weil die Behörden dann natürlich ein Interesse daran haben, sich an diese Infrastruktur anzudocken, um diesen Datenaustausch zu ermöglichen. Denn im Zweifel müsste man sich sonst selbst auf analogem Weg erst einmal auf die Suche nach den Daten machen. Das ist der Vorschlag, den wir gerade noch in die Debatte einbringen, und ich bin ganz zuversichtlich, dass das vielleicht den Weg in die Umsetzung findet.


Tobias Grimm:
In diesem Zusammenhang haben wir ja auch in diesem Jahr relativ viel vom sogenannten Deutschland-Stack gehört. Da würde ich gerne von dir wissen, Esther: Was steckt dahinter? Wie weit sind wir da schon und was erwarten wir vielleicht im nächsten Jahr?


Esther Steverding:
Ja, der Deutschland-Stack kam vor der letzten Bundestagswahl auf, waberte als Idee durch das politische Berlin, und ist auch im Koalitionsvertrag nochmal erwähnt worden, dass man diesen Stack aufbauen möchte. Das BMDS hat daraufhin eine eigene Abteilung gegründet mit dem Namen Deutschland-Stack, mit verschiedenen Referaten zum Thema Souveränität, Cloud, Infrastruktur, und hat jetzt im September und Oktober eine Konsultation durchgeführt zum Deutschland-Stack und die ersten Ideen präsentiert: Was stellen wir uns darunter eigentlich vor? Was stellen sich auch die Nutzerinnen und Nutzer, aber auch die anbietende Wirtschaft darunter vor? Sie beschreiben es als nationale, souveräne Technologieplattform, die sie etablieren wollen – die aus zwei Teilen besteht: das strategisch-organisatorische, also was wollen wir damit erreichen, wie sind die Rahmenbedingungen, und dann eine Tech-Stack-Landkarte, auf der konkrete Technologien gelistet sind, die in diesem Deutschland-Stack enthalten sein sollen. Das ist natürlich keine abschließende Liste, und wir würden uns wünschen, dass es keine Liste ist, sondern eher Architekturvorgaben – also welche Vorgaben müssen Leistungen beziehungsweise Lösungen, die es auf dem Markt gibt oder die zukünftig entwickelt werden, erfüllen, um Teil dieses Deutschland-Stacks zu werden. Damit Bund, Länder und Kommunen sie nutzen können – mit dem Ziel, dass wir überall ähnliche oder zumindest kompatible IT-Leistungen und Lösungen einsetzen.

Es werden Kriterien definiert, ab wann man in diesen Stack hineinkommt – zum Beispiel aus dem Bereich digitale Souveränität oder auch Nachhaltigkeit, Interoperabilität. Es laufen Konsultationen zu diesem Stack. Das BMDS spricht in Workshops mit den Unternehmen, mit Verbänden, aber auch mit der Zivilgesellschaft und baut da wirklich mit allen Beteiligten – wie sie sagen – einen Stack auf. Es ist noch nicht allzu viel Konkretes bekannt. Bis 2028 soll dieser Stack stehen, und man kann sich immer noch einbringen in die Entwicklung des Stacks. Das BMDS sagt: Es ist ein Community-Projekt – mit Ideen, mit Anmerkungen. Ganz wichtig aus unserer Sicht ist, dass der Stack Verbindlichkeit schafft – nicht, dass er optional ist. Denn sonst haben wir weiterhin unseren Flickenteppich. Und dass die Governance geklärt wird für diesen Stack.


Tobias Grimm:
Nun haben wir über viele Themen gesprochen: Registermodernisierung, Verwaltungsdigitalisierung, Bürokratieabbau. Eine Abschlussfrage an dich jetzt, Marc, wo muss Deutschland 2026 dringend vorankommen?


Marc Danneberg:
Also ich würde sagen, die großen Projekte für das nächste Jahr sind die Registermodernisierung – darüber haben wir gesprochen –, dann die Bereitstellung, der Aufbau des Deutschland-Stacks, insbesondere die schnelle Bereitstellung guter Basiskomponenten, die dann auch alle Behörden in Deutschland nutzen können. Und ein drittes Thema, das häufig ein bisschen unter dem Radar ist, das ich aber extrem wichtig finde, ist die Frage: Wie kann man eigentlich gute Lösungen für die digitale Verwaltung – also ganz klassische GovTech-Lösungen – möglichst einfach verfügbar machen? Also, die Bestellung von GovTech-Lösungen auf Knopfdruck durch die Behörden. Da sind wir im Bereich der IT-Beschaffung, beim Aufbau von Marktplätzen und offenen Plattformen. Da haben wir als Bitkom auch Vorschläge gemacht, die sich orientieren an der Government Cloud aus dem UK – beispielsweise durch den Aufbau eines dynamischen Beschaffungssystems. Da sind wir jetzt schnell im Detail – das wäre aber ein riesiger Game-Changer, wenn man das ermöglichen kann. Auch da bietet die Modernisierungsagenda einen Anknüpfungspunkt, nämlich bei der gemeinsamen Beschaffung von Bund, Ländern und Kommunen. Bisher findet das quasi fast nicht statt in Deutschland, ist sehr, sehr schwierig rechtlich. Und ich glaube, da werden und müssen wir vorankommen in dem Bereich.


Tobias Grimm:
Esther, dein Eindruck, wo muss es weitergehen?


Esther Steverding:
Ich ergänze um die EUDI-Wallet – also digitale Authentifizierung. Bis Ende 2026 soll da das System in Deutschland und europaweit stehen. Und dann noch so als Metathema: Unser Wunsch und das Ziel sollte es sein, dass der Staat wieder als handlungsfähig wahrgenommen wird – dass man ihm vertraut. Und genau dieses Vertrauen in den Staat steigt durch die Handlungen, die er macht, und die Aktivitäten, die er auf die Straße bringt.


Tobias Grimm:
Esther, Marc, vielen Dank für das sehr ausführliche Gespräch. Weitere Informationen zur Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung haben wir als Bitkom in einem Positionspapier zusammengefasst – den Link dahin findet ihr in der Podcast-Beschreibung.

 

Der Terminkalender


Tobias Grimm:
Mit einem schnellen Blick auf Kalenderwoche 51, in der im Bundestag die letzte Sitzungswoche des Jahres stattfindet. Auf der digitalpolitischen Agenda steht am 17.12. die Befragung der Bundesregierung und am 18.12. die sechste Bildungsministerkonferenz. In Brüssel bespricht die Europäische Kommission am Dienstag sowohl das Health- als auch das Automotive-Package, und am Donnerstag kommen die Staats- und Regierungschefs zum letzten Gipfeltreffen des Jahres zusammen.

Und damit endet der Ausblick auf die nächste Woche auch schon. Weitere Nachrichten und Informationen aus der Digitalbranche findet ihr wie immer auf bitkom.org.
Danke fürs Zuhören und bis nächsten Freitag.