Scheitert der europäische Gesundheitsdatenraum am Datenschutz?
31. Januar 2023 in Berlin & im Stream
Anlässlich des Europäischen Datenschutztages veranstalteten Bitkom und die Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) dieses Jahr eine gemeinsame Konferenz zum Thema „Scheitert der europäische Gesundheitsdatenraum am Datenschutz?“. Die Konferenz fand als Präsenzkonferenz mit begleitendem Livestream am Dienstag, 31. Januar 2023, 18:00 bis 20:30 Uhr statt.
Unsere gemeinsame Konferenz stellte dieses Jahr die Entwicklungen rund um den Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) in den Mittelpunkt. Gemeinsam mit hochrangigen Expertinnen und Experten und unseren Gästen vor Ort diskutierten wir, ob und wie der EHDS umsetzbar sein wird. Dabei sollte anlässlich des Europäischen Datenschutztages natürlich vor allem die Frage geklärt werden, ob Datenschutz und Gesundheitsdatenraum miteinander vereinbar sein werden.
Livestream
Zum Hintergrund
Im Mai 2022 legte die Europäische Kommission den Entwurf für eine Verordnung zur Schaffung eines „Europäischen Gesundheitsdatenraums“ (European Health Data Space - EHDS) vor, für den gemeinsame Standards und Verfahren, Infrastrukturen und ein Governance-Rahmen für die Primär - und Sekundärnutzung elektronischer Gesundheitsdaten geschaffen werden soll. Der Vorschlag steht im Kontext der von der Kommission 2019 vorgelegten Datenstrategie, mit der sie die EU „an die Spitze einer datengesteuerten Gesellschaft bringen“ will. Kern dieser Strategie ist der seit Februar 2022 vorliegende Entwurf eines „Data Act“, der die Vorschriften der Mitgliedstaaten im Sinne eines fairen Zugangs und einer fairen Datennutzung harmonisieren soll. Dabei nehmen Europäische Datenräume eine zentrale Stellung ein. Diese Datenräume sollen den in bestimmten Bereichen agierenden staatlichen und privaten Stellen durch vereinheitlichte rechtliche und technisch Regelungen eine erleichterte Zugangs- und Nutzungsmöglichkeit von Daten bereitstellen. Der vorgeschlagene Gesundheitsdatenraum normiert den ersten dieser Datenräume. Angestrebt wird ein umfassender – auch grenzüberschreitender - digitaler Zugriff auf alle Daten über Behandlungen, Operationen, Medikationspläne und Laborwerte und den Impfstatus. Zu diesem Zweck sollen durch europäische Austauschformate vorrangige Datenkategorien geschaffen werden, insbesondere Patientenkurzakten, E-Rezepte, medizinische Bilddaten, Laborergebnisse und Entlassungsberichte. Der verbesserte Datenzugriff soll Doppeluntersuchungen verhindern, Abläufe effizienter gestalten und auch Medikationsfehler vermeiden helfen. Geregelt werden soll auch die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten: Geschaffen werden soll ein vertrauenswürdiges und effizienten Umfeld für Forschung, Innovation, Politikgestaltung und Regulierungstätigkeiten. Unter strengen Auflagen sollen Forscher, Erfinder, öffentliche Einrichtungen und die Pharmabranche Zugang zu den gesammelten großen Mengen an Gesundheitsdaten von hoher Qualität haben. Dies sei für die Entwicklung von lebensrettenden Behandlungen, Impfstoffen oder Medizinprodukten von entscheidender Bedeutung. Ferner könnten so ein besserer Zugang zur medizinischen Versorgung sowie „widerstandsfähigere Gesundheitssysteme“ gewährleistet werden.
Der Plan der Kommission wirft zahlreiche datenschutzrechtliche Fragen auf:
Ist angesichts unterschiedlicher rechtlicher, technischer und organisatorischer Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen ein diskriminierungsfreier Datenaustausch über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinaus überhaupt möglich?
Wie kann das gerade bei sensiblen Gesundheitsdaten unverzichtbare hohe datenschutzrechtliche Schutzniveau gewährleistet werden?
Mit welchen Instrumenten kann die Kontrolle der Patientinnen und Patienten über ihre Daten (auch bei der Sekundärnutzung) gewährleistet werden? Sind Opt In und Opt Out geeignete Optionen?
Wie werden IT-Sicherheit und Datenschutz bei der Definition des technischen Rahmens des EHDS gewährleistet?
Die Diskussionsleitung übernahmen:
Rebekka Weiß (Bitkom e.V.)
Peter Schaar (EAID)
Folgende Expertinnen und Experten waren dabei:
Maria Bäcklund-Hassel, International Coordinator and Senior Advisor, Swedish eHealth Agency
Paneldiskussion:
Christoph Wagenblast,Bundesministerium für Gesundheit, Berlin
Prof. Dr. Thomas Petri, Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz
Dr. med. Markus Leyck Dieken, Geschäftsführer der gematik GmbH
Dr. Thomas Roth, Boehringer Ingelheim, Chief Data Protection Officer
Prof. Dr. med. Sylvia Thun, Direktorin, Core-Unit eHealth und Interoperabilität, Charité