Die Flüchtlingskrise hat sich seit dem Spätsommer 2015 dramatisch zugespitzt. Im vergangenen Jahr sind nach neuesten Zahlen deutlich mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Diese Entwicklung stellt nicht nur Staat und Verwaltung vor große Herausforderungen, sondern auch die Wirtschaft. Denn die meisten Flüchtlinge werden voraussichtlich für lange Zeit, womöglich sogar dauerhaft in Deutschland bleiben. Wie schnell es gelingt, die Flüchtlinge in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen, entscheidet maßgeblich über ihre gesellschaftliche Integration.
Das größte Hindernis für eine rasche Beschäftigung sind neben den häufig fehlenden formalen Qualifikationen die geringen Sprachkenntnisse der Migranten. Die deutsche Sprache einigermaßen sicher zu beherrschen, gilt daher unter Fachleuten als die entscheidende Voraussetzung für einen erfolgreichen Einstieg in den hiesigen Arbeits- und Ausbildungsmarkt.
Genau hier setzt Bayer mit seinem Angebot für junge Flüchtlinge an. Seit Ende Oktober 2015 erhalten bei uns 20 Flüchtlinge im Alter von 18 bis 26 Jahren in einem insgesamt viermonatigen Aufbaukurs die Möglichkeit, ihre Deutschkenntnisse so weit zu verbessern, dass sie anschließend die sprachlichen Voraussetzungen besitzen, um sich erfolgreich für eine Ausbildung in einem gewerblichen Beruf zu bewerben. Denn der Kurs hat zum Ziel, dass die Teilnehmer den Sprung vom Sprachniveau „B1“ des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen auf die nächst höhere Stufe „B2“ schaffen – also jenes Niveau, das auch nach Einschätzung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für den Beginn einer Ausbildung erforderlich ist. Daneben vermittelt der Aufbaukurs den teilnehmenden Flüchtlingen eine erste Berufsorientierung, die durch eine vierwöchige Praxishospitation im Chempark Leverkusen abgerundet wird. Während der gesamten Dauer des Kurses werden die Flüchtlinge zudem sozialpädagogisch betreut.
Erfolgreiche Teilnehmer können sich nach dem Aufbaukurs für das reguläre Starthilfe-Programm von Bayer bewerben, in dem wir künftig ein eigenes Kontingent für ausbildungswillige Flüchtlinge reservieren werden. Das Starthilfe-Programm von Bayer bereitet benachteiligte Jugendliche bereits seit fast 30 Jahren intensiv auf eine spätere naturwissenschaftlich-technische Ausbildung vor. Die teilnehmenden Flüchtlinge werden darin bereits Berufsschulunterricht sowie ein Bewerbertraining erhalten. Weit über 80 Prozent der bisherigen Teilnehmer am Starthilfe-Programm begannen anschließend eine reguläre Berufsausbildung.
Ob einige von ihnen später ihre berufliche Zukunft in der IT-Branche finden werden, bleibt vorerst offen. Denn diese Berufe erfordern neben gewissen Vorkenntnissen in der Informationstechnologie eine Kommunikationsfähigkeit, auch gegenüber Kunden und externen Partnern, die über das im Aufbaukurs vermittelte Sprachniveau hinausgeht; dies gilt allgemein für viele kaufmännische Ausbildungsberufe und erst recht für anspruchsvolle kombinierte Ausbildungsprogramme wie unser duales Studium zum Wirtschaftsinformatiker/ Wirtschaftsinformatikerin (WIN), die inzwischen einen großen Anteil innerhalb der Ausbildung für IT-Berufe ausmachen.
Und doch: Ein Anfang ist gemacht. Nun bleibt abzuwarten, wie sich das Konzept des Aufbaukurses bewährt, und vor allem, ob die teilnehmenden Flüchtlinge die mit ihm verbundenen Chancen engagiert nutzen werden. Mit dem Starthilfe-Programm können wir den besten unter ihnen gleich den nächsten sinnvollen Schritt auf ihrem Weg in die Beschäftigung anbieten. Denn in den meisten Fällen werden Flüchtlinge vor einer Berufsausbildung solche einjährigen Qualifikationsmaßnahmen brauchen, weshalb sie etwa der Bildungsökonom Ludger Wößmann für diese Gruppe verstärkt fordert.
Bayer wird sein Engagement zunächst das gesamte Jahr 2016 hindurch fortsetzen. Die Integration von Hunderttausenden von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt bleibt gleichwohl eine schwierige Aufgabe, zu deren Gelingen enorme gesellschaftliche Anstrengungen nötig sein werden.