Gesetzeshammer
Kompass IT-Standards

Gesetzliche Relevanz von Normen

Europäische und nationale Ebene

Deep Dives

Wie entsteht eine harmonisierte EN?

Viele der jüngsten Rechtsakte der Digitalregulierung erfordern harmonisierte Europäische Normen (hEN) als zentrale Elemente der Umsetzung. 

Die Entwicklung läuft wie folgt ab:​

Schritt 1: Standardisierungsauftrag
Die EU-Kommission vergibt einen Standardisierungsauftrag (SReq) an eine, zwei oder alle drei Europäische Standardisierungsorganisationen (ESOs). Die SReq verpflichtet die ESOs, die Norm innerhalb einer bestimmten Frist zu erstellen. In diesem Schritt haben die Mitglieder der ESOs die Möglichkeit, aktiv bei der Gestaltung des Normungsauftrags, insbesondere der Fristen und Eingrenzung der Inhalte mitzuwirken. Wenn die ESO den überarbeiteten Normungsauftrag annimmt, beginnt die Arbeit an den Inhalten. ​

Schritt 2: Entwurfsphase der Norm​
In dieser Arbeitsgruppe erarbeiten die entsandten Experten der nationalen Normungsorganisationen die Norm in einer Entwurfsphase, die ausschließlich innerhalb der Gruppe stattfindet. Die Vorschläge und Entwürfe bleiben in CEN und CENELEC vertraulich, bei ETSI sind sie auch für Externe einsehbar. Im Bestfall gibt es bereits Vorarbeiten auf ISO/IEC-Ebene, die übernommen werden können. So kann die Anbindung an den internationalen Handel sichergestellt werden. Dies ist die wichtigste Phase, um aktiv die Inhalte der Normen, und damit die technische Umsetzung der „grundlegenden Anforderungen“ umzusetzen.​

Schritt 3: Prüfung des Entwurfs​
Der fertige Entwurf wird von den ESOs übersetzt und zur Abstimmung an die nationalen Normungsorganisationen verteilt. Es wird nun abgestimmt, ob der Normenentwurf angenommen wird. Gleichzeitig wird der Entwurf der Öffentlichkeit zur Kommentierung bereitgestellt.

Schritt 4: Übernahme ins Amtsblatt der EU​
Die Kommission prüft, ob die Normen die grundlegenden Anforderungen vollständig oder mit Restriktionen erfüllen. Nach positiver Prüfung werden die hENs im Amtsblatt der EU gelistet und erzeugen ab diesem Moment bei korrekter Anwendung die Vermutungswirkung.
 

Konformitätsbewertungsverfahren unter dem NLF

Um Konformität nachzuweisen, beschreibt der NLF verschiedene Wege in sogenannten "Modulen". Einige Module betreffen dabei nur die "Entwurfsphase" des Produktes, andere nur die "Herstellungsphase", und müssen zur vollständigen Konformitätsbewertung kombiniert werden.

Jeder Rechtsakt unter dem NLF spezifiziert die genaue Anforderung der Module, und auf welche Produktklassen welche Module angewandt werden können. Häufig verwendet wird dabei Modul A "Interne Fertigungskontrolle", welches die Konformitätsbewertung durch den Hersteller erlaubt. Hier kann der Nachweis der Konformität über harmonisierte Normen erfolgen.

Eine häufige Kombination sind Module B "EU-Baumusterprüfung" während der Entwurfsphase, und Modul C "Interne Fertigungskontrolle" während der Herstellungsphase. Modul B verlangt eine Prüfung des Produktes während der Entwurfsphase durch eine notifizierte Prüfstelle. Diese legen zur Prüfung ebenfalls häufig harmonisierte Normen zu Grunde, soweit verfügbar. 


 

Mitwirken bei der Erarbeitung von harmonisierten Normen

Um beim Erstellen der harmonisierten Normen teilzuhaben, gibt es verschiedene Wege:

  1. Im Rahmen der Public Enquiry: Nachdem der erste Entwurf in den Gremien erarbeitet wurde, wird er der Öffentlichkeit für einen Zeitraum von 12 Wochen zur Kommentierung zur Verfügung gestellt. Jeder kann die Entwürfe lesen und Kommentare einreichen. Jedes eingereichte Kommentar muss vom Gremium in Betracht gezogen werden.
  2. Als Mitglied im nationalen Ausschuss: Wer bei DIN oder DKE Mitglied ist, kann in den nationalen Spiegelgremien der europäischen Gremien mitarbeiten. Dort wird die nationale Position ausgehandelt, welche dann von einem nationalen Vertreter auf die europäische Ebene getragen wird.
  3. Als Delegierter in den Gremien bei CEN, CENELEC und ETSI: Wer Mitglied bei DIN oder DKE ist, kann sich als Vertreter in die Gremien bei CEN, CENELEC und ETSI entsenden lassen, und dort die nationale Meinung der Spiegelgremien vertreten.
  4. Als Experte in den Working Groups: Nationale Delegierte können als Experten in den einzelnen Working Groups des europäischen Normungsgremiums mitarbeiten.
     
Umgang mit gelisteten, aber nicht aktuellen Normen

Durch langsame Listung durch die EU-Kommission, oder Verhinderung der Listung von aktuellen Versionen der Normen kommt es vermehrt vor, dass nur veraltete Normen, die nicht state-of-the-art entsprechen, gelistet sind, und somit regulatorische Wirkkraft haben. Sind keine aktuellen hEN verfügbar, müssen alternative Nachweismethoden genutzt werden. Zum Umgang damit stellen wir folgenden Leitfaden zur Verfügung: Konformitätsbewertung ohne aktuelle oder gelistete harmonisierte Europäische Normen (hEN)