Zuverlässige Rechenzentren und Cloud-Ökosysteme bilden die Basis der gesamten Digitalisierung. So werden heute grundsätzliche Aufgaben in Bereichen wie z. B. Energie, Telekommunikation, Verkehr, Banken oder Sicherheitssystemen direkt oder indirekt über Rechenzentren abgewickelt. Mit hunderttausenden Arbeitsplätzen in Rechenzentren und Cloud-Infrastrukturen sowie Umsätzen der von ihnen abhängigen deutschen Internetwirtschaft von über 100 Milliarden Euro jährlich ist die wirtschaftliche Bedeutung dieses Industriezweigs kaum zu überschätzen. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die Digitale Souveränität zu sichern, gilt es daher die im europäischen und auch internationalen Umfeld besonders nachteiligen Rahmenbedingungen für digitale Infrastrukturen und darauf aufbauende Plattformen in Deutschland erheblich zu verbessern.
Seit dem Projektstart im Jahr 2019 hat die deutsche Bundesregierung gemeinsam mit einer großen Zahl von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Verbänden das Cloud- und Dateninfrastrukturprojekt Gaia-X maßgeblich vorangebracht und europäisiert. Ziel ist es, ein international anschlussfähiges Regelwerk sowie Rahmenbedingungen für Datenökosysteme und Datenplattformen zu entwickeln.
Im Laufe der 20. Legislaturperiode muss im Kontext von Gaia-X ein privatwirtschaftlich getriebenes Ökosystem entstehen, in dem es sowohl Unternehmen als auch der öffentlichen Hand ermöglicht wird, hybride IT-Architekturen modular und souverän zu beherrschen. Die auf Gaia-X aufbauenden miteinander vernetzten sektoralen europäischen Datenräume bilden außerdem die Grundlage der deutschen und europäischen Datenökonomie und der souveränen organisationsübergreifenden Nutzung von Daten als Basis zur Schaffung skalierender digitaler Geschäftsmodelle, insbesondere im industriellen B2B-Kontext in Deutschland und Europa.
Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Digitale Souveränität stellen Rechenzentren und Cloud-Infrastrukturen eine signifikante Schlüsselindustrie dar. Größere Rechenzentren werden gemäß IT-Sicherheitsgesetz bereits als kritische Infrastrukturen eingestuft. Aufgrund der hohen Strompreise ist die Branche, in welcher Strom rund 50 Prozent der Betriebskosten ausmacht, gegenüber Standorten im Ausland massiv benachteiligt. Eine Befreiung von der EEG-Umlage und anderen den Strompreis verteuernden Umlagen, Steuern und Entgelten würde die Chancengleichheit erheblich verbessern. Verwaltungsprozesse wie Genehmigungs- und Planungsverfahren, gerade auf Länderebene, müssen entschlackt werden. Es sollten zudem grundsätzlich EU-weit einheitliche Regeln und Bedingungen in Bereichen wie Nachhaltigkeit, Subventionen und Strom, idealerweise im Rahmen von Selbstregulierung, angestrebt werden. Die geplanten Anforderungen der Bundesregierung an Rechenzentren müssen durch im Markt breit akzeptierte Standards und Zertifizierungen überprüfbar gemacht werden und außerdem müssen diese Anforderungen bezüglich der konkreten Umsetzung und Operationalisierung klar und sachbezogen definiert werden. Wenn wir Datensouveränität für deutsche Anwender stärken wollen, müssen diese Rahmenbedingungen systematisch und mit Nachdruck verbessert werden.
In der gemeinsamen Erklärung der 27 Mitgliedsstaaten (Joint Declaration Cloud) wurde der Grundstein für eine koordinierte Europäische Cloud-Politik gelegt. Europa kann es sich nicht mehr leisten durch ineffiziente und unsachgemäße Fragmentierungen in zentralen Zukunftsfragen an Schlagkraft einzubüßen. Das IPCEI zur nächsten Generation von Cloud Infrastrukturen und Services leistet einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Cloud-Edge-Infrastrukturen in der EU und muss weiter entschieden vorangebracht werden. Die entsprechenden Haushaltsmittel müssen bereitgestellt werden. Die zukünftigen Aktivitäten der Europäischen Allianz für industrielle Daten und Cloud, zur föderierten Europäischen Cloud, der nationalen Gaia-X Hubs und weiterer relevanter Initiativen und Projekte müssen eng miteinander und mit Gaia-X verknüpft werden, um damit eine konsistente und ganzheitliche europäische Strategie umzusetzen. Außerdem ist eine konsequente Offenheit und Berücksichtigung von internationalen Innovationen, welche zum Beispiel von einer globalen Open Source Community beigesteuert werden, zentral für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas.
Die Erzeugung und Nutzung der Nachfrage der öffentlichen Hand nach souveränen, vertrauenswürdigen und nach Stand der Technik sicheren Cloudtechnologien hilft diese Angebote zu skalieren. Cloud-First Strategien des öffentlichen Sektors sind daher mit Nachdruck zu unterstützen und durch die öffentliche Hand umzusetzen. Insbesondere die Zielstellung, dass Mitgliedsstaaten selbst mit der Cloud-Nutzung in ihrem staatlichen Handeln (wie etwa Verwaltung, Gesundheit, Bildung und Sicherheit) vorangehen, ist mit Nachdruck zu begrüßen. Strategien des öffentlichen Sektors wie die Multi-Cloud Strategie der Bundesregierung müssen konsequent auf diese Zielstellung ausgerichtet werden.
Bitkom unterstützt die Bestrebungen zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Regelwerkes (Cloud Rulebook). Gaia-X leistet hier wichtige Vorarbeiten. Zentral ist dabei die Wahl sachgerechter und in der Breite anerkannter bestehender und in Entstehung befindlicher technischer Standards, Normen, Codes of Conduct und Gesetze in den Bereichen Datenschutz, Informationssicherheit, Reversibilität, Interoperabilität, Portabilität, Datensouveränität und Energieeffizienz & Nachhaltigkeit. Das dadurch resultierende Regelwerk und die resultierenden Anforderungen sollten so offen und modular wie möglich gestaltet sein. Um die Praxistauglichkeit des Rulebooks zu sichern, muss es in enger Zusammenarbeit mit der Breite der Wirtschaft (Anbieter und Anwender von Cloud-Lösungen) entwickelt werden. So können Rechtssicherheit und Vereinheitlichung die Verbreitung von Cloud-Anwendungen erhöhen und so die Potenziale der Cloud-Nutzung in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Sektor für die digitale Transformation besser heben.
Alle digitalpolitischen Handlungsstränge müssen darauf ausgerichtet sein Datensouveränität, Datensorgfalt sowie Datenverfügbarkeit zu verbessern und Datensparsamkeit als Leitmotiv zu ergänzen und in diesem Zusammenhang die besonderen Interessen der exportorientieren deutschen Volkwirtschaft zu berücksichtigen. Das ist Grundlage für anwenderseitiges Vertrauen und Kontrolle in Datenökosystemen die auf Grundlage und in Vernetzung mit souveränen Cloud- und Dateninfrastrukturen aufgebaut werden. Diese Ökosysteme bilden damit die Grundlage für eine funktionierende und wettbewerbsfähige europäische Datenökonomie, die globale Anschlussfähigkeit besitzt. Dies betrifft insbesondere die Vollendung des Digitalen Binnenmarkts durch die europäischen Datenräume im Rahmen von Gaia-X. In diesem Zusammenhang muss Datensouveränität im Kontext von Gaia-X übergeordnet präzisiert und operationalisiert werden.