Die Corona-Pandemie hat der Arbeitswelt einen großen Schub in Richtung Digitalisierung verpasst, auf den wir ansonsten vermutlich noch viele Jahre hätten warten müssen. Unternehmen und Beschäftigte haben die vielen Vorteile von New Work und mobiler Arbeit erkannt und planen auch noch in Zukunft mit hybriden Arbeitsmodellen. Flexible Arbeitszeiten und -orte ermöglichen mehr Teilhabe am Familien- und Privatleben. Andererseits: Aktuell sind 96.000 Stellen für IT-Spezialistinnen und -Spezialisten in Deutschland unbesetzt, nur jeder siebte Bewerber (15 Prozent) auf eine Stelle für IT-Spezialisten ist weiblich. Wir müssen diese Lücke zügig schließen und vorhandenes Potenzial viel besser nutzen. Im Übrigen ist das kein Thema der IT-Branche allein: Der Mangel an IT-Expertinnen und -Experten betrifft die gesamte Wirtschaft und ebenso Verwaltung, Behörden und Wissenschaft.
Deshalb müssen wir zügig beste Voraussetzungen für IT-Fachkräfte in Deutschland schaffen – egal welchen Geschlechts, ob selbstständig oder angestellt, ob aus dem Inland oder Ausland. Außerdem müssen New-Work-Konzepte noch stärker in Unternehmen und Verwaltung ankommen, damit Deutschlands Arbeitsalltag innovativer und digitaler wird. Dazu gehören auch Weiterbildungsprogramme, zum Beispiel zur Förderung von KI-Fähigkeiten. Der Koalitionsvertrag weist dazu einige Ansätze in die richtige Richtung auf, dennoch sind bestimmte Vorhaben nicht mutig genug: Die steuerliche Regelung des Homeoffice wird zunächst nur bis Ende 2022 verlängert. Online-Betriebsratswahlen sollten lediglich in einem Pilot-Projekt erprobt werden. Die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes bzgl. der Tageshöchstarbeitszeit wird nur in Experimentierräumen ermöglicht.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mindestens einen Tag pro Woche im Homeoffice bzw. mobil arbeiten und damit auch die Umwelt schonen, sollten alle dadurch entstehenden Kosten steuerlich absetzen können. Dabei sollte egal sein, ob diese Kosten durch die Nutzung von Coworking-Spaces oder der privaten Wohnung entstehen. Auf das Vorhandensein eines privaten Arbeitszimmers darf es dabei schon aus Gerechtigkeitserwägungen nicht ankommen. Um die steuerliche Abwicklung zu vereinfachen, sollten die Ausgaben bis zur Höhe von 1250 Euro pro Jahr pauschal berücksichtigt werden.
Die digitale Transformation erfordert zunehmend Flexibilität, Innovation und schnelle Anpassungen. Unternehmen sind hier auf das Know-How externer Spezialistinnen und Spezialisten angewiesen. Die derzeitige Rechtslage behindert allerdings moderne (agile) Arbeitsformen der Projektarbeit mit externen Fachkräften massiv, da durch die Abgrenzungsschwierigkeiten die Gefahr einer Scheinselbständigkeit bzw. verdeckten Arbeitnehmerüberlassung besteht. Auftraggebende und Auftragnehmende benötigen dringend klare und verlässliche Rahmenbedingungen, die einen schnellen, rechtssicheren und unbürokratischen Einsatz externer Spezialistinnen und Spezialisten in agilen Projekten ermöglichen. Hierfür müssen Positivkriterien für die Selbstständigkeit im Sozialversicherungsrecht (u.a. eine hohe Verdienstgrenze und eine angemessene Altersvorsorge) aufgenommen werden. Zudem müssen IT-Fachkräfte und sonstige Hochqualifizierte, die als abhängige Beschäftigte über Dienstleister eingesetzt werden, vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ausgenommen werden.
Bei der Konkurrenz um die besten IT-Fachkräfte aus der ganzen Welt müssen die behördlichen Prozesse schneller, digitaler und unbürokratischer werden, insbesondere brauchen wir eine E-Akte. Eine zielgruppengerechte Ansprache kann nur mit einer App gelingen, die ein englischsprachiges Jobportal sowie einen englischsprachigen Chatbot umfasst, der Informationen zu Behörden und Deutschland im Allgemeinen mitteilen kann. Die App sollte u.a. die Terminvergabe bei Behörden übernehmen und jederzeit über die einzelnen Schritte bzw. Fortschritte der behördlichen Prozesse informieren.
New Work und damit selbstbestimmtes, zufriedeneres Arbeiten, insbesondere im Homeoffice bzw. mobil, setzen stets ein grundsätzliches Vertrauen des Arbeitgebenden in die Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit des Arbeitnehmenden voraus. Arbeitnehmende müssen daher auch eigenverantwortlich entscheiden können, wie sie ihre Arbeits- und Ruhezeiten gestalten. Insbesondere sollten geringfügige Unterbrechungen, wie das Lesen von Mails oder ein kurzes Telefonat, nicht die Ruhezeit neu beginnen lassen. In Übereinstimmung mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie sollte das deutsche Arbeitszeitgesetz künftig auch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit vorsehen, statt wie bisher nur auf einzelne Tage zu rekurrieren.
Beschleunigt durch die Corona-Krise arbeiten auch Betriebsräte zunehmend digital. Angesichts der nachhaltigen Änderungen in der Arbeitswelt bedarf es eine - über das Betriebsrätemodernisierungsgesetz hinausgehende - umfassende Reform der Mitbestimmung. Unter anderem sollen Präsenzsitzungen gegenüber Online-Betriebsratssitzungen keinen Vorrang haben. Die Durchführung von Online-Betriebsratswahlen in Unternehmen soll nicht nur in einem Pilotprojekt erprobt, sondern als Option im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden. Schließlich soll § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Einführung von technischen Einrichtungen) auf seinen eigentlichen Wortlaut und Zweck reduziert werden.