Die Digitalisierung der Energiewende kommt während der laufenden Legislaturperiode an einen entscheidenden Punkt: Der Smart-Meter-Rollout hat Anfang 2020 begonnen, die Rahmensetzung zur Integration erneuerbarer Energien kommt voran. Gleichzeitig zeigt sich beim Ausbau privater Ladeinfrastruktur oder bei der Integration von PV-Anlagen nach dem Auslaufen der EEG-Förderung, wie wichtig ein kostengünstiger, sicherer und unkomplizierter Datenaustausch für das Entstehen von Marktlösungen ist. Die digitale Infrastruktur ist zwingende Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Warum? Das Ziel von 80 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 ist eine völlige Umkehr der früheren Situation. Die schwankende Stromerzeugung aus Sonne und Wind muss ins Netz integriert und mit Speichern und Verbrauch verknüpft werden. Besondere Bedeutung kommt dabei der Industrie zu: Sie steht nicht nur für 45 Prozent des deutschen Stromverbrauchs, sondern kann sich dank eines intelligenten Lastenmanagements auch flexibel dem schwankenden Stromangebot anpassen.
Ließ sich der private Verbrauch bisher sehr gut über Erfahrungswerte bestimmen, funktioniert das bei größeren Prosumern nicht mehr. Mit den im Koalitionsvertrag vorgesehenen 15 Millionen Elektroautos wird es unabdingbar, dass der Netzbetreiber auch Informationen über den momentanen und den beabsichtigten Verbrauch erhält. Gleiches gilt bei der Einspeisung an einem konkreten Anschluss. Verstärkt wird der Handlungsdruck noch dadurch, dass die Sektorkopplung nun auch im Wärmebereich vorankommt.
Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien ist die sektorübergreifende Steigerung der Energieeffizienz die zweite Säule der Energiewende. Bei der Identifizierung und Realisierung von Energieeffizienzpotenzialen nehmen digitale Technologien eine Schlüsselposition ein. Dafür sollten technologieoffene Fördermaßnahmen eingeführt werden. Damit Effizienzverbesserungen nachhaltig sind, muss vor allem die Möglichkeit zur Datenanalyse gestärkt werden: Der Stand der Technik erlaubt heute schon eine kontinuierliche Überwachung von Anlagen, um Fehlfunktionen bereits in den Ansätzen zu erkennen und teilweise gar nicht erst auftreten zu lassen. Auch die für die Sektorenkopplung wichtigen verbraucherseitigen Flexibilitätspotenziale lassen sich so ermittelten und nutzen.
Ein netzverträgliches Flexibilitätsmanagement setzt voraus, dass zukünftig auf lokaler Ebene steuerbare Lasten, Speicher und Erzeuger so geregelt werden können, dass durch Einhaltung eines vom Netzbetrieb vorgegebenen Sollwertes am Netzanschlusspunkt keine netzkritischen Zustände entstehen. Die in § 14a EnWG verankerte netzdienliche Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen trägt maßgeblich zur Aufrechterhaltung eines stabilen Netzbetriebs entlang der Energie- und Verkehrswende bei und muss nach dem Zurückziehen des Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetzes Anfang 2021 jetzt in einen konkreten Regelungsrahmen gefasst werden.
Um die Vielzahl an zusätzlichen elektrischen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen in der Niederspannung zu integrieren, bietet sich das Konzept des digitalen Netzanschlusses als neue Schnittstelle zwischen Stromnetz und Gebäude an. Gebäudeseitig wird nur ein lokales Energiemanagement-System in Kombination mit einem Smart Meter Gateway angebunden, der Fokus liegt dabei auf der Wechselwirkung mittels einer Leistungshüllkurve. Der digitale Netzanschluss reduziert so zum einen die Komplexität für den Netzbetreiber, da statt einzelner Anlagen ein zusammenfassendes Element angesprochen werden kann. Zum anderen können die Anlagen über nachgelagerte Komponenten (vgl. BSI-TR-03109-5) so koordiniert werden, dass sowohl den Belangen des Netzbetreibers als auch Mobilitäts- und Wärmebedürfnisse der Kunden Rechnung getragen wird. Es wer-den sowohl das Management lokaler Flexibilitäten als auch die cyber-sichere Anbindung und die Überwachung des Netzzustands bzw. der Sollwerte ermöglicht.
Der politische Fokus muss sich von der Energieerzeugung auf die Verbrauchsseite verlagern. Die bisherige Anreizregulierung setzt bei Verteilnetzbetreibern nach wie vor einen stärkeren Anreiz für kapitalintensive Investitionen (CAPEX). Diese können aber durch Smart-Grid-Technologien – z. B. in den Bereichen Lastmanagement, Einspeisemanagement, Flexibilitätsnutzung – durch viel geringere Betriebskosten (OPEX) reduziert werden. Eine Anerkennung der OPEX in der Anreizregulierung ist daher dringend geboten, damit auch kosteneffiziente, innovative Lösungen eingesetzt werden. Nicht zuletzt wird so auch die Verbrauchsseite durch freiwillige Anlagensteuerung und industrielles Lastmanagement gestärkt.
Um den Rollout von Smart-Meter-Gateways (SMGW) weiter zu beschleunigen, sind zusätzliche Anreize für den freiwilligen Einbau von SMGW zu schaffen. Eine große Hürde besteht in den Kosten für die »Erschließung« des Kellers, also die Versorgung mit Mobilfunk oder Glasfaser. Förderprogramme zur Gebäudesanierung oder für den Breitbandanschluss sollten daher für die SMGW-Vorbereitung geöffnet werden. Die Branche benötigt zudem ein klares Signal, dass die verfügbaren Endgeräte über einen klar definierten Zeitraum alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Entscheidend ist auch, dass die Nutzung des CLS-Kanals als Anker einer sicheren Kommunikation in unterschiedlichsten Anwendungsfällen möglich bleibt und Dritten wie z. B. Direktvermarktern zur Verfügung gestellt wird.