Die Digitalisierung ist aus Verbrauchersicht vor allem ein Souveränitätsgewinn. Die Menschen waren nie zuvor so gut in der Lage wie heute, Informationen zu erlangen oder Produkte, Dienstleistungen und Preise zu vergleichen. Durch die Möglichkeit, auf Onlineportalen Produkte und Dienste zu kommentieren und zu bewerten, werden Verbraucherinnen und Verbraucher aktiver Part der Kommunikation, anstatt Nachrichten nur zu empfangen. Gleichzeitig werden Verbraucherinnen und Verbraucher in der Sharing Economy und über digitale Kommunikation immer mehr auch Anbietende einer Leistung und beteiligen sich aktiv am Ökosystem, z. B. über soziale Netzwerke.
Das Internet ist dabei aber kein rechtsfreier Raum, der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher ist hier genauso zu gewährleisten wie in der analogen Welt. Die Verbreitung von rechtswidrigen und erst recht strafbaren Inhalten auf Online-Plattformen muss wie in der analogen Welt bestmöglich bekämpft und tatsächliche Straftaten im Internet konsequent verfolgt und geahndet werden. Hierbei tragen selbstverständlich auch Diensteanbietende wie Online-Plattformen Verantwortung. Allerdings können auch legale Inhalte schädlich sein. Insbesondere n Krisenzeiten verbreiten sich auch Falschmeldungen über soziale Medien oder Messenger-Dienste. Das kann sehr gefährlich werden, weil angesichts der aktuellen Informationsflut nicht immer einfach zwischen wahr und falsch zu unterscheiden ist. Um dieses Phänomen zu bekämpfen, haben die Anbietenden sozialer Netzwerke in den letzten Monaten vermehrt proaktive Anstrengungen hervorgebracht. Auf den Aufbau der Medienkompetenz von Nutzern muss zukünftig verstärkt Wert gelegt werden.
Es ist dringend notwendig dafür zu sorgen, dass die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit Informationen und Angeboten im Netz besser vermittelt wird. Hier sind besonders Schulen, Volkshochschulen oder Institutionen wie die Bundeszentrale für politische Bildung gefragt. Die Schulen müssen lehren, wie man mit der digitalen Welt umgeht – einschließlich des kritischen Umgangs mit ihr – und die Schülerinnen und Schüler darauf vorbereiten, was junge Menschen in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz erwartet. Wer Online-Informationen und -Angebote kritisch hinterfragt aber ebenfalls weiß, wie man digitale Dienste sinnvoll nutzen kann, kann eine selbstbestimmte Entscheidung treffen und sich in der digitalen Welt selbstbewusst bewegen.
Viele der jüngst verabschiedeten Maßnahmen gegen Hassrede im Rahmen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes sind problematisch – und das bei zweifelhaftem Nutzen. Probleme entstehen hier entweder aus politischen Erwägungen – z. B. mit Blick auf die Einhaltung bürgerlicher Grundrechte – oder wegen rechtlicher Unklarheiten. Im Kreise relevanter Stakeholder aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik sollte ein funktionsfähiges und rechtssicheres Modell erarbeitet werden, um die Strafverfolgung von Hasskriminalität im Netz effektiver zu gestalten. Ein solches Modell muss innerhalb des geltenden Rechtssystems datenschutzkonform entwickelt und ausgestaltet werden sowie für Plattformen und Strafverfolgungsbehörden handhabbar sein. Ziel muss eine Lösung sein, die in internationalen Prozessen und dem europäischen Rechtsrahmen eingebettet ist und ausreichend grundrechtliche Standards wie auch rechtsstaatliche Garantiemaßnahmen enthält. Insbesondere brauchen die zuständigen Behörden mehr Personal und Digitalkompetenz – keine fragwürdigen, neuen Befugnisse.
Die Bekämpfung illegaler Online-Inhalte und die Rechtssetzung für digitale Dienste muss immer im internationalen Kontext gesehen werden. Seit der Verabschiedung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes haben über ein Dutzend anderer Nationalstaaten daran angelehnte Regulierung vorgeschlagen oder in Kraft gesetzt. Leider sind viele dieser Länder keine freien, rechtsstaatlichen Demokratien. Auch wenn es nicht Absicht Deutschlands war, so verweisen diese Länder auf das NetzDG als Vorbild. Deutschland sollte sich seiner Vorbildfunktion bewusst sein und Ansätze zur Kontrolle von Online-Inhalten mit Bedacht angehen. Geltende Gesetze sollten unabhängig evaluiert und europäische Regelungen vor nationalen Vorstößen abgewartet werden.
Wir brauchen eine Weiterentwicklung des europäisch harmonisierten Verbrauchervertragsrechts mit einem einheitlichen Verbraucherschutzniveau und damit eine Förderung des E-Commerce und des grenzüberschreitenden Handels. Insbesondere die Vereinfachung der Informationspflichten kann für mehr Nutzerfreundlichkeit sorgen, die Verständlichkeit beim Verbraucher erhöhen und die Unternehmen entlasten. Vertrauensbildung und Aufbau von Digitalkompetenz sind hierbei für einen modernen Verbraucherschutz unerlässlich, der auch die Verbrauchersouveränität in den Mittelpunkt stellen muss.