

Seit 2017 wurde die Digitalpolitik institutionell im Kanzleramt verankert und damit deutlich aufgewertet. Unser digitalpolitisches Umsetzungsproblem besteht aber weiterhin: Deutschland fällt im internationalen Digital-Vergleich insgesamt zurück. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass die digitalpolitische Governance ein Update braucht. Dazu gehört auch, Staat und demokratische Institutionen digital zu ertüchtigen - das ist nicht nur praktizierte Krisenvorsorge, sondern auch ein Modernisierungsprojekt, das auf viele andere Politikbereiche ausstrahlt. Deutschland muss das Ziel haben, nicht nur industrieller sondern auch digitaler Motor Europas zu sein. Unser Anspruch muss sein, im Laufe der kommenden Legislaturperiode im europäischen Digitalindex DESI mindestens in die Top 3 vorzurücken.
Die Verteilung digitalpolitischer Zuständigkeiten auf verschiedene Ressorts hat bisher nicht den erwünschten Erfolg gebracht. Auf Bundesebene sollte deshalb ein Ressort zu einem echten Digitalministerium um- bzw. ausgebaut werden. Dafür müssen Organisationseinheiten, Kompetenzen und Haushaltsmittel aus anderen Ressorts im Digitalministerium zusammengeführt werden. Zentrale Aufgabe des Ministeriums ist die Gestaltung der Digitalisierung. Dafür muss es alle Digitalinitiativen des Bundes effektiv und integriert koordinieren, ohne dass die anderen Ressorts ihre Digitalisierungsbemühungen einstellen. Deshalb braucht ein Digitalministerium Federführungen bei digitalpolitischen Kernprojekten sowie echte Koordinierungsrechte gegenüber anderen Ressorts. Dazu gehört auch eine moderne Auslegung des Ressortprinzips. Nur so ist eine echte interministerielle Kooperation sichergestellt, anstatt Blockaden zu generieren. Unabhängig davon braucht dieser Veränderungsprozess auch die Aufmerksamkeit der Bundeskanzlerin bzw. des Bundeskanzlers und auskömmliche finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt.
Die neue Bundesregierung muss ihr digitalpolitisches Instrumentarium weiter verbessern – dabei kann die Digitalpolitik Vorreiter auch für andere Politikbereiche sein. Das 2020 eingerichtete Dashboard Digitalpolitik ist ein guter Ansatz für evidenzbasiertes politisches Handeln, der mutig weiterentwickelt werden sollte. Der Digitalrat und das Digitalkabinett haben zudem zu einem besseren politischen Verständnis des digitalen Wandels beigetragen. Ein Impact Assessment, also die Überprüfung politischer Vorhaben auf ihre Digitalisierungswirkung hin, kann jetzt dabei helfen, Regulierung von vornherein digital zu denken. Am Digital-Gipfel wollen wir festhalten und das Format gemeinsam mit einer neuen Bundesregierung weiterentwickeln.
Die Funktionsfähigkeit von staatlichen und demokratischen Institutionen auch in Krisenzeiten ist für Unternehmen sowie Bürger entscheidend. Volldigitale Abstimmungen im Deutschen Bundestag, den Landtagen oder in Parteien müssen endlich gesetzlich ermöglicht werden. Denn auch unter Lockdown-Bedingungen muss unsere Demokratie handlungsfähig bleiben. Es braucht eine gesetzliche Grundlage für Online-Abstimmungsverfahren, die diese mit ihrem physischen Äquivalent gleichstellt – so wie es auf der kommunalen Ebene zum Teil schon der Fall ist. Um eine ambitionierte Modernisierung der Parteiarbeit zu ermöglichen, sollten auch die gesetzlichen Regeln zur physischen Anwesenheit bei Wahlen und Nominierungen an die digitale Realität angepasst werden. Die Sicherheit elektronischer Abstimmungen muss dabei an allererster Stelle stehen – dass sie möglich sind, belegt das Beispiel Estland.